Sella d'argento (Italien 1978)
Dem Gunslinger Roy Blood eilt ein tödlicher Ruf voraus. Wo auch immer er auftaucht, stapeln sich die Leichen. Legendär ist dabei sein silberner Sattel. Diesen eignete er sich von einem Ganoven an, der dafür keine Verwendung mehr hatte, nachdem Roy ihn im Alter von nur zehn Jahren aus Rache für den Mord an seinem Vater erschossen hatte. Nun bekommt es der Revolverheld selbst mit einem Halbwüchsigen zu tun. Er rettet den Jungen vor einer Bande Meuchelmördern, nur um anschließend herauszufinden, dass es sich um den jüngsten Spross der verhassten Barrett-Sippe handelt. Zunächst widerwillig nimmt er sich des Jungen an, schließt aber schließlich doch Freundschaft mit dem Knirps und fühlt dessen Verwandten auf den Zahn, die ihm in erbschleicherischer Absicht nach dem Leben zu trachten scheinen.
Mit Silbersattel wollten Regisseur Lucio Fulci und Hauptdarsteller Giuliano Gemma noch einmal an die großen Erfolge des Spaghetti-Westerns anknüpfen, nachdem das Genre jahrelang brach lag und außer sich selbst zu parodieren nicht mehr viel zustande brachte. In vielerlei Hinsicht darf dieser Versuch als durchaus gelungen bezeichnet werden, um dem europäischen Western wieder neues Leben einzuhauchen macht der Film dann aber doch zu viele Zugeständnisse an die veränderten Publikumserwartungen. Allen voran die Einbindung eines Dreikäsehochs als zentrales Handlungselement. Allein die gefühlt immer gleiche Frauenstimme, wenn es darum geht, Kinderrollen deutsch zu synchronisieren, verwandelt den Filmgenuss gelegentlich zur Qual. Wenn Roy dann auch noch alberne Zaubertricks vorführt, um das Blag bei Laune zu halten, wünscht man sich einen Kerl vom Format eines Henry Fonda, der wie in Spiel mir das Lied vom Tod kurzen Prozess mit dem Bengel macht. Einen solchen gibt es dann auch in Gestalt von Martinez, der sich nicht scheut, das Kind rücksichtslos auszupeitschen. Überhaupt zeigt sich Fulci hier nicht gerade zimperlich und nimmt mit kruden Einschüssen und sadistisch massakrierten Mönchen einiges von dem Ruf vorweg, welchen er sich in den folgenden Jahren mit immer exzessiveren Gewaltorgien im Horrorgenre erarbeiten sollte. Umso verwunderlicher ist es da, dass die zeitgenössische Kritik Silbersattel als „Soft-Western“ beschrieb. Sicherlich wirkt Gemma hier bereits ein wenig müde und die seit Mein großer Freund Shane immer wieder aufkommende Unsitte, einem Kind eine Hauptrolle zuzuweisen, tut ihr übriges, doch zeigt nicht zuletzt die deutsche Freigabe ab 18 Jahren, dass dieses Prädikat dem Film kaum gerecht wird.
Ein Vorwurf, den sich der Film allerdings gefallen lassen muss, sind die zum Teil dümmlichen Dialoge. Mitunter hat man das Gefühl, der alte Italo-Recke Gemma müsse sich zusammenreißen, um ernst zu bleiben, wenn Sätze von vermeintlicher Bedeutungsschwere ausspucken muss. Inhaltlich kann man diesem Spätwestern jedoch eine zumindest innerhalb des Genres nicht unbeachtliche Tiefsinnigkeit absprechen. Roys Sinneswandel, nach dem er die Kinder nicht für die Sünden ihrer Ahnen büßen lassen will, ist durchaus ein zentrales Thema des Films. Auch wünscht er dem Jungen, dass dieser niemals eine Waffe wird benutzen müssen, da sein eigenes Leben dadurch einst eine grausame Wendung erfahren hatte – freilich nur, um ihm am Ende seinen Colt samt Patronengurt zu vermachen.
Bei allen Schwächen darf Silbersattel als einer der allerletzten echten Italowestern gelten, der noch einmal vieles vereint, was das Genre einst zu solch großem Erfolg geführt hatte. Ein einsamer Held, vom Rachedurst getrieben, wüste Schießereien, bei denen ein Menschenleben keinen Dollar wert ist, einen eingängigen, wenn auch etwas schwülstigen Soundtrack, der sogar Verweise auf Scores wie Die Glorreichen Sieben nicht scheut, die großartigen Landschaften und Gebäude Südspaniens und zahlreiche Haudegen wie den leichenfleddernden Sidekick Geoffray Lewis, der wie schon als Anführer der Wilden Horde in Tonino Valeriis Mein Name ist Nobody eine erstklassige Nebenbesetzung abgibt.
Alternatives aus der Titelschmiede: Sie sterben in Stiefeln, Silver Saddle
Locations: Nueva Frontera