Dienstag, 6. Januar 2015

Knie nieder und friss Staub

Anda Muchacho, spara! (Italien/Spanien, 1971)

Roy Greenford läuft, völlig geschwächt von seiner Flucht aus dem Straflager, dem freundlichen alten Joselito in die Hände, der ihn nicht nur von seinen Ketten befreit, sondern ihn auch in seiner bescheidenen Behausung in einer Goldgräbersiedlung aufnimmt. Als die beiden am Abend mit den anderen Schürfern beim gemeinsamen Essen sitzen, erscheint einer der Minenarbeiter in fürchterlichem Zustand aus dem Nichts. Roy erfährt, dass die Mexikaner von einigen reichen Gringos brutal unterdrückt werden und das geschürfte Edelmetall zu einem Spottpreis an die Bank verhökern müssen. Wer versucht, sein Gold jenseits der Berge zu verkaufen, endet wie der Junge.
In der Stadt nimmt Roy zunächst die Dienste des Barbiers Manolo in Anspruch, doch als er diesem berichtet, dass sie einen gemeinsamen Bekannten, Emiliano, haben, zückt Schaumschläger seine Waffe, hat jedoch keine Chance gegen den schneller abdrückenden Roy. Nach und nach richtet Greenford immer mehr Leuten Grüße von Emiliano aus, woraufhin ihm stets Gelegenheit gegeben wird, als zweiter zu ziehen und seinem Gegenüber eine Ladung Blei zu verpassen.
Redfield, der gemeinsam mit Lawrence und Newman die Gegend kontrolliert, wird auf den Pistolero aufmerksam und heuert ihn an. In dem Haus, in dem die drei Männer leben, erkennt Roy, dass zwischen Lawrence und Newman ein Streit um die hübsche Jessica entbrannt ist, der schon bald tödliche Folgen haben wird und Roy in der Hierarchie nach oben befördern könnte. Doch Redfield ahnt, dass sein neuer Angestellter auf eigene Rechnung arbeitet und stellt ihm eine heimtückische Falle.
Nach Die unerbittlichen Fünf war Knie nieder und friss Staub Aldo Florios zweiter und letzter Genrebeitrag und dieser geriet zu einer bis heute sträflich unterschätzten kleinen Perle des Spaghetti-Westerns. Rückblenden zeigen Roy und Emiliano aneinander gekettet auf der Flucht aus dem Steinbruch und deuten im Verlauf des Films immer mehr zu den Hintergründen der Geschichte an. Es geht um einen Goldschatz, den die drei Schurken im Keller unter ihrem Haus sicher verwahren, doch warum Emiliano Roy auf diesen ansetzt und warum alle Ganoven bei seinem Namen in Angst erstarren, bleibt bis zum Ende nebulös.
Die Besetzung, die Florio für seinen Film zusammengetrommelt hat, kann sich sehen lassen. Der ehemalige Stuntman Fabio Testi, der seinen ursprünglichen Job so schlecht machte, dass seine Stürze im Film zwar großartig aussahen, ihn aber im Anschluss auch mal wochenlang ausfallen ließen, gibt einen erstklassigen Fremden Eastwood‘scher Prägung ab. Als sein Gegenspieler Redfield darf Eduardo Fajardo seine Paraderolle als fieser Großgrundbesitzer um einen voyeuristischen Aspekt erweitern. Während Jessica vom buckligen Lawrence vergewaltigt wird, lauert Redfield im Verborgenen, was dem Ganoven eine sinistre Aura verleiht. In weiteren Parts machen Luciano Pigozzi als Manolo und Francisco Sanz als Sidekick-Opa den Spaghetti-Cast komplett.
Keine Wünsche offen lässt auch der Härtegrad des Streifens, dem es keinesfalls an Ernsthaftigkeit und knüppelharter Action mangelt. Roy wird grausam misshandelt, der alte Joselito unter Folter beinahe ertränkt. Ein Haufen Minenarbeiter, die mitsamt ihrem Gold zu entkommen versuchen, wird massakriert und einer unter ihnen, der dafür bekannt ist, sich zur Tarnung tot zu stellen, genussvoll und unter zynischen Kommentaren abgeschossen. Doch nicht nur die Ganoven handeln gnadenlos. In der Goldgräbersiedlung wird mit einem Verräter kurzer und grausamer Prozess gemacht und selbst der Held meuchelt einen Desperado beim Wasserlassen kaltblütig von hinten.
Das Frauenbild hingegen ist ambivalenter als im Italowestern üblich. Jessica, gespielt von der im Genre wenig umtriebigen Cháro Lopez, dient zunächst als reines Lustobjekt für gleich mehrere Männer, greift allerdings später einschneidend in die Handlung ein. Erwartungsgemäß mit den Waffen einer Frau, als sie mit vollem Körpereinsatz den Schlüssel zu Roys Verlies ergattert. Die Rolle der Frau ist zugleich einer der wenigen markanten Unterschiede zu den Western Sergio Leones, an denen sich Florio orientiert hat. Besonders im in die Länge gezogenen, von Rückblenden unterbrochenen finalen Duell tritt dies überdeutlich zutage, wenn Testi plötzlich in einen Poncho gehüllt aus dem Staub hervortritt. Auch die Kamera, die immer wieder durch kreative Perspektiven auffällt, kopiert hier Eine Handvoll Dollar, wenn das Sterben durch unscharfe, verwackelte First-Person-Views dargestellt wird. Und selbst Bruno Nicolai hat für seinen großartigen Score zumindest ein wenig bei Spiel mir das Lied vom Tod abgehört.


Alternatives aus der Titelschmiede: Knie nieder Gringo und friß Staub, At the end of the rainbow , Dead Men Ride