Sonntag, 1. März 2015

Mein Name ist Nobody

 Il mio nome è Nessuno (D, I, F, 1973)


Wenn es ein Film schafft, ein ganzes Genre auf den Punkt zu bringen, spielt sich ohne Zweifel Großes auf der Leinwand ab. Sergio Leone, der Mann, der den Italowestern 1964 mit Für eine Handvoll Dollar aus der Taufe hob und vier Jahre später mit Spiel mir das Lied vom Tod zu Grabe trug, schuf mit Mein Name ist Nobody eine zeitlose und umfassende Definition der einst von ihm selbst erfundenen Filmgattung, wenngleich sich bis heute Legenden über Leones tatsächlichen Einfluss auf die Regie ranken. Während allerdings vieles darauf hindeutet, dass der Maestro über seine Rolle als Produzent und offenkundiges Vorbild von Regisseur Tonino Valerii hinaus durchaus einschneidend in die Dreharbeiten eingebunden war, gilt lediglich als verbrieft, dass er wenigstens die Eröffnungssequenz höchstpersönlich inszenierte.
Diese weist dann auch überdeutliche Parallelen zu jener aus Spiel mir das Lied vom Tod auf. Wieder unterzieht Leone die Nerven seines Publikums einer harten Zerreißprobe, lässt er die Spannung mittels wortloser Minuten, eindringlicher Nahaufnahmen und nervenzerfetzender Geräusche förmlich greifbar werden. Und erneut wird eine zentrale Figur durch einen gescheiterten Anschlag auf ihr Leben in die Handlung eingeführt. Jack Beauregard mag zwar in die Jahre gekommen sein, aber mit einer Bande von Strolchen, die ihn während eines Barbierbesuchs in einen Hinterhalt locken wollen, nimmt es der Revolverheld noch immer mit Leichtigkeit auf. Seinen Lebensabend jedoch will er in Ruhe und Frieden in der alten Welt, fernab seines berüchtigten Rufs, verbringen und dem Westen den Rücken kehren.
Einen solchen wortlosen Abgang will ein aus dem Nichts auftauchender „Niemand“ nun um jeden Preis verhindern. Wirkt dieser Nobody auch flapsig und unbedarft in seiner Jugendlichkeit, wird mit der Zeit klar, dass er genau weiß, was er tut und voller Berechnung stets die Zügel ganz fest in Händen hält. Geht es nach ihm, so muss sich sein einstiges Kindheitsidol in einem letzten Akt von Heldentum einer übermächtig scheinenden Banditen-Meute stellen und anschließend in einem finalen Duell aus dem Leben scheiden, um so schließlich zur Legende zu werden. Dass nach diesem Showdown auf Beauregards Grabstein die Worte „Nobody was faster on the draw“ zu lesen sein werden, kann diesem dabei nur recht sein.
Verkörpert wird der Cowboy mit den himmelblauen Augen von Mario Girotti, der seit einigen Jahren unter dem Namen Terence Hill zu beachtlicher Reputation gelangt war. So wie Henry Fonda als Jack Beauregard hier optisch nicht sehr weit von seiner Rolle in Spiel mir das Lied vom Tod entfernt ist, orientierte sich Leone bei Hills Part klar an dessen ihm so verhassten Trinitá-Filmen. Der Regisseur sah sich und seine Genre-Meisterwerke durch die Comedy-Western der frühen Siebziger verunglimpft und doch bediente er sich so mancher Elemente daraus. Neben der Nobody-Figur sind dies vor allem die Slapstick-Einlagen, die sich mit bemerkenswerter Harmonie in den ansonsten sehr ernsten und wehmütigen Ton des Films einfügen. Auf diese Weise konfrontiert Mein Name ist Nobody sowohl formal als auch inhaltlich den alten Western mit dem neuen. Gerade einmal ein halbes Jahrzehnt hatte es nach der Initialzündung Für eine Handvoll Dollar gedauert, bis sich der Spaghetti-Western mehr oder weniger zu Tode geritten hatte und beinahe nur noch Genre-Persiflagen wie Die rechte und die linke Hand des Teufels oder Vier Fäuste für ein Halleluja Erfolge beim Publikum feiern konnten.
Der respektlose, draufgängerische Nobody und sein Darsteller repräsentieren diese neue, frivole Strömung innerhalb des Sub-Genres, während Beauregard wie Fonda, der bereits in den Dreißigern als Cowboy über die Leinwand geritten war, für den alten Weste(r)n stehen. Was bei diesem Aufeinandertreffen auf der Strecke bleibt, sind die typischen Merkmale des Italowestern-Protagonisten, der ganz und gar Antiheld ist und wenig ehrenhaft handelt, üblicherweise aus Geldgier oder Rachedurst. Die Motivation Nobodys hingegen darf zwar als zutiefst egoistisch betrachtet werden, gleicht jedoch eher einer Spielerei und scheint wie aus einer Laune resultierend. Statt dem Drang nach Gold oder Vergeltung treibt ihn das ganz persönliche Verlangen, seinem Helden einen gebührenden Abgang zu verschaffen.
Beauregard selbst verwehrt sich ebenso jedem Stereotyp, stellt den Western-Mythos sogar regelrecht auf den Kopf, indem er entgegen der ein Jahrhundert lang den gesamten Kontinent umtreibenden Westwärtsbewegung die Flucht nach Europa antreten will. Dorthin, von wo aus der Aufbruch zur Landnahme, zur Grenzverschiebung bis zum Pazifik überhaupt erst seinen Ursprung genommen hatte. Er will in jener alten Welt seinen Frieden finden, aus der in den vorangegangenen 180 Jahren abertausende von Menschen in die vermeintliche Freiheit Amerikas geflohen waren. Deutlicher lässt sich der amerikanische Traum kaum demontieren.
Deutlicher lässt sich aber auch das Ende des klassischen Westens nicht skizzieren. Es ist sicher kein Zufall, dass die Handlung im Jahr 1899 angesiedelt ist, buchstäblich auf der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert, in dem kein Platz mehr sein wird für Gunslinger vom alten Schlag. So wie der Italowestern von einer frechen neuen Version seiner selbst vorgeführt wurde, weist die neue Generation von Revolverhelden ihre Vorgänger – wenn auch mit gebührendem Respekt – in die Schranken. Besonders treffend veranschaulicht der visuelle Rahmen des Films diese Wachablösung. In der Eröffnungsszene hält Jack Beauregard den als Barbier verkleideten Gangster in Schach, indem er ihm den Colt zwischen die Beine drückt. In der letzten Einstellung des Films ist es Nobody, der rasiert wird, doch lässt dieser seine Waffe im Holster. Ihm genügen ein ausgestreckter Finger und ein flotter Spruch, um den Ganoven davon abzuhalten, ihm die Kehle aufzuschlitzen. Diese Einbeziehung der Entwicklung innerhalb des Genres macht Mein Name ist Nobody im Vergleich zu Spiel mir das Lied vom Tod auf einer gewissen Ebene sogar zum „ultimativeren“ Schwanengesang auf den Western.
Der Einfluss dieses Meilensteins ist jedoch freilich unverkennbar. Der Stil, den Leone seit 1964 entwickelt und perfektioniert hatte, prägt auch diesen Film und ist mit zerfurchten Gesichtern, ungeschöntem Sterben, Italienischen Einstellungen sowie Supertotalen, Staubmänteln und nicht zuletzt den Kulissen allgegenwärtig. Gedreht wurde sogar zum Teil an identischen Locations, nämlich dem „Flagstone“-Set, welches eigens für Spiel mir das Lied vom Tod bei La Calahorra in Andalusien errichtet worden war. Noch markanter treten die Parallelen zwischen beiden Filmen im Soundtrack zutage. Ganze Passagen scheint Ennio Morricone seiner eigenen Komposition entlehnt zu haben und arrangiert diese mit elegischen Melodien, gregorianischen Chorälen sowie Versatzstücken aus Richard Wagners „Ritt der Wallküren“ und sogar „Comme d’habitude“, besser bekannt in der Frank Sinatra-Version „My Way“, zu einer Endwestern-Hymne epischen Formats.
Auch auf ihre gemeinsame Vergangenheit nehmen Leone und Valerii, der einst die Regie-Assistenz bei den ersten beiden Dollar-Filmen übernommen hatte, Bezug. Die Ziel-Demonstrationen, bei denen sich Beauregard und Nobody die Hüte von den Köpfen schießen, verweisen unverhohlen auf die praktisch identische Szene zwischen Clint Eastwood und Lee van Cleef in Für ein paar Dollar mehr.
Mit ganz besonderer Vorliebe arbeitete sich Leone allerdings an seinem Kollegen Sam Peckinpah ab, der zuvor einer Zusammenarbeit zwischen den beiden eine Absage erteilt hatte. Wohl aus Groll verscharrte ihn Leone in seinem Film kurzerhand auf dem Navajo-Friedhof und lässt Nobody Peckinpahs Namen sogar von dessen Grabkreuz ablesen. Bei aller Rivalität stellt dies aber auch Leones Wertschätzung unter Beweis, die sich noch deutlicher in der einen oder anderen Hommage zeigt. Der Showdown zwischen Jack Beauregard und der Wilden Horde – im Übrigen ebenfalls eine direkte Anspielung auf den Peckinpah-Klassiker The Wild Bunch – wird der berühmte Einsatz von Zeitlupen in Peckinpahs Shootouts mit Standbildern regelrecht auf die Spitze getrieben.
Der mehrfach zitierte Eintrag in die Geschichtsbücher wird daraufhin mittels Sepiatönung und Bilderrahmen noch visualisiert, eines von vielen Details, die Mein Name ist Nobody eine unglaubliche Substanz verleihen. In der allgemeinen Rezeption scheint der komödiantische Aspekt weit vordergründiger und tatsächlich funktioniert der Film auch tadellos als reine Slapstick-Revue. Terence Hills Physis, die Raufereien und nicht zuletzt die lässigen Sprüche – im deutschen Sprachraum dank Synchro-Papst Rainer Brandt ungleich kultiger – suchen allemal Ihresgleichen. Diese Ambivalenz ist sicher eine der großen Qualitäten des Films. Doch erst die tiefgründige Geschichte, die vielen Genre-Zitate, der bis ins letzte Detail perfekte Look und der epochale Score machen Mein Name ist Nobody zu diesem wehmütigen Meisterwerk, diesem einen letzten Abgesang auf ein Genre wie auf eine Epoche.

>>Eins ist mir bisher noch nicht ganz klar: Weshalb setzt du das alles in Szene?<<
>>Ein Mann muss etwas haben, wo er sich dran aufspulen kann. Etwas, woran er glaubt.<<
>>Ich habe in meinem Leben schon viele Menschen getroffen. Mörder und Diebe, Prediger und auch solche, die es erst werden wollten, Huren habe ich kennen gelernt und Zuhälter. Und bestimmt war auch mal ein anständiger Kerl drunter. Aber so einen, wie du ihn dir in deiner Phantasie vorstellst…<<
>>Sowas gibt’s nicht mehr, meinst du, hm? Sicher, verflucht wenige. Aber es gibt sie. Und nur die zählen.<<
>>Du versuchst wirklich alles, um aus mir einen Helden zu machen.<<
>>Ein Held bist du doch schon. Du musst dir nur einen guten Abgang verschaffen, damit dein Name auch zur Legende wird.<<


Alternatives aus der Titelschmiede: My Name is Nobody, Lonesome Gun, Mon nom est personne
Locations: La Calahorra, New Mexico, New Orleans
Location-Vergleich: Für eine Handvoll Drehorte

Dienstag, 24. Februar 2015

Der Gehetzte der Sierra Madre

La resa dei conti (Italien, 1966)

Jonathan Corbett, ein knallharter Kopfgeldjäger, wird vom steinreichen Brokston dazu überredet, statt weiterhin Galgenvögel mit Totenhemden lieber ein Amt im texanischen Senat zu bekleiden. Dort soll er ihm dabei helfen, seinen Plan von einer Eisenbahnlinie von den Vereinigten Staaten bis nach Mexiko zu verwirklichen. Auf der Hochzeit von Brokstons Tochter erreicht die Gäste allerdings die Kunde von einem grausamen Verbrechen. Ein zwölfjähriges Mädchen wurde vergewaltigt und ermordet, doch hat man bereits einen Schuldigen ausgemacht: Cuchillo, ein mexikanischer Vagabund, der sich bereits auf der Flucht über die Sierra Madre befinden soll. Und so holt Corbett seine Colts vom Nagel und begibt sich auf die Jagd, doch je häufiger ihm der gerissene Cuchillo durch die Finger schlüpft, desto größer werden seine Zweifel daran, dass er tatsächlich hinter dem richtigen her ist.
Zum Auftakt seiner persönlichen Western-Trilogie, die er mit Von Angesicht zu Angesicht und Lauf um dein Leben im Jahresrhythmus weiterführen sollte, schuf Regisseur Sergio Sollima gleich eines der frühen Meisterwerke des Genres. Der Gehetzte der Sierra Madre gehört in jederlei Hinsicht zu den ganz Großen unter den Spaghetti-Western.
Sollima versteht es, seine durch und durch spannende wie actiongeladene Menschenhatz immer wieder mit interessanten Episoden rechts und links des Weges zu spicken und dabei stets politische wie philosophische Botschaften einzuflechten. Der Rassismus gegenüber den Mexikanern ist dabei ebenso ein Thema wie Armut, soziale Ungerechtigkeit oder auch menschliche Einsamkeit. In einer Episode trifft Corbett auf einen Mönch, der ihm als ehemaliger Pistolero auf Augenhöhe begegnen kann. Mit einer Sinnfrage und der Feststellung, dass nicht immer der Jäger der freie Mann ist, trifft er Corbett ins Gewissen und genau den Nerv des Films. Dieser liefert allerdings auch immer wieder komische Momente, die zumeist auf Cuchillos Konto gehen. Mit diesem kreierte Sollima einen echten Genre-Prototyp, dessen Charakter den Kikuchiyo aus Akira Kurosawas Die sieben Samurai in eine mexikanische Version abwandelt und dessen Name an Aldo Sambrells Rolle als einer von Indios Männern in Für ein paar Dollar mehr angelehnt ist. Dass diese Figur später ein fester Bestandteil des Italowestern-Repertoires werden sollte, ist in erster Linie Tomás Milián zu verdanken, der im selben Jahr erst sein Western-Debüt in Ohne Dollar keinen Sarg gefeiert hatte. Hier verkörpert er erstmals die Rolle des quirlig-quasselnden Herumtreibers, mit der er heute untrennbar verbunden und die ihm wie auf den Leib geschrieben scheint.
Als Gegenpol steht dem leichtfüßigen Strolch Chuchillo der eiskalte Kopfgeldjäger Corbett gegenüber. Lee Van Cleefs Rolle kommt mit ihrer Professionalität und dem aristokratischen Anstrich jener aus Für ein paar Dollar mehr sehr nahe, für welchen Sergio Leone den US-Mimen mit den unverkennbaren Gesichtszügen ein Jahr zuvor aus der Versenkung geholt hatte. Hier steht der ehemalige Zweite-Reihe-Schurke amerikanischer Western nun - genau wie sein Gegenspieler Tomás Milián - am Beginn einer herausragenden Italowestern-Karriere.
Rund um diese beiden Ausnahmedarsteller tummelt sich neben Walter Barnes als Brokston und Fernando Sancho als mexikanischen Capitano allerhand bekanntes und bewährtes Genre-Volk wie Nieves Navarro, Benito Stefanelli oder Antonio Casas. Damit ist Der Gehetzte der Sierra Madre bis in die kleinsten Nebenrollen herausragend besetzt und leistet sich sogar den Luxus, Corbett einen markanten Recken wie Nello Pazzafini bereits in der Eröffnungssequenz mit Blei füttern zu lassen. Ein Kniff, den Sergio Leone in Spiel mir das Lied vom Tod übrigens zu perfektionieren wusste. Dass Pazzafini und seine beiden todgeweihten Kumpane sich dabei zunächst perspektivisch verschoben hinter drei Pistolenkugeln zu verstecken scheinen, ist nur eines der vielen optischen Details, die Sollima gemeinsam mit Kameramann Carlo Carlini in seinen Film eingebaut hat. Die Totalen hingegen sind weitestgehend dominiert von der andalusischen Landschaft, die maßgeblich den abwechslungsreichen und stets authentischen Look des Films vorgibt. Ob mexikanisches Pueblo oder die finalen Duelle im staubigen Wüstensand, Der Gehetzte der Sierra Madre verbreitet mit jeder Pore unverfälschte Italowestern-Atmosphäre, meisterlich untermalt von den Klängen Ennio Morricones.
Was Sollimas Film aber über Spannung und Action sowie visuelle und darstellerische Klasse hinaus zu einem außergewöhnlichen Western macht, sind die Charakterisierung und die Entwicklung der Figuren und die Bedeutung, die ihnen zukommt. Cuchillo eignet sich mit seiner respektlosen, freiheitsliebenden Art großartig als Reflektionsfläche für jegliche Form von Benachteiligung oder Unterdrückung und damit auch wunderbar als Identifikationsfigur für eine eher linksorientierte Jugend. Brokston hingegen repräsentiert das genaue Gegenteil, ein kapitalistisches Scheusal, das nach immer mehr Besitz strebt und glaubt, sich Menschen und Gesetze mit seinem Geld gefügig machen zu können. Seine und die Dekadenz der der anderen Mitglieder der feinen Gesellschaft wird von dem österreichischen Baron von Schulenberg auf die Spitze getrieben. Der von Gerard Herter verkörperte Kunstschütze ist nach Amerika gekommen, weil ihm in der alten Welt die Duell-Gegner ausgingen und findet wie auch Brokston geradezu pathologischen Gefallen an der Menschenjagd. Mit seinem Monokel scheint er eine Karikatur auf die europäische Arroganz gegenüber den unkultivierten Cowboys, Pionieren und natürlich den Mexikanern. Sein brauner Gehrock mit dem schwarzen Ledergürtel erinnert sicher nicht zufällig an eine SA-Uniform, was vielleicht ein Grund dafür gewesen sein mag, dass die Rolle seinerzeit komplett aus der deutschen Fassung herausgeschnitten wurde – wie leider auch einige weitere, für die Botschaft des Films unverzichtbare Szenen.
Zwischen diesen beiden, auch politischen, Extremen steht nun Corbett, der als Kopfgeldjäger bereits dem Dollar den Vorzug gegenüber der Moral gegeben hatte. Dennoch ist er der einzige, der seinen eigenen Standpunkt ernsthaft hinterfragt, aus seinen Fehlern lernt und eine echte Entwicklung durchlebt. Sollima lässt keinen Zweifel an seinem Standpunkt, bettet seine politischen Ambitionen aber derart gekonnt in die Handlung ein, dass Der Gehetzte der Sierra Madre zwar höheren Ansprüchen genügt, aber auch auf der reinen Action- und Unterhaltungs-Ebene seinen Platz unter den Meilensteinen des Italowesterns sicher hat.

>>Strick oder Kugel?<<
               Es ist keineswegs so, als ließe Kopfgeldjäger Corbett seiner Beute nicht die Wahl

Alternatives aus der Titelschmiede: The Big Gundown, Cuchillo der Vollstrecker, La presa

Django und die Bande der Gehenkten

Preparati la bara! (Italien, 1968)

Auf dem Weg ins Gouverneursamt ist dem hinterlistigen David Barry jedes Mittel recht. So lässt er seine Männer regelmäßig Goldtransporte überfallen, um seinen Wahlkampf zu finanzieren. Als Sündenböcke präsentiert er willkürlich ausgesuchte, unbescholtene Bürger, gegen die er seine Schergen vor Gericht aussagen lässt. Als bei einem dieser Überfälle seine Frau getötet und er selbst schwer verletzt wird, schwört Django blutige Rache an seinem einstigen Freund Barry. In Gestalt des Henkers kehrt er zurück und rettet unbemerkt die Opfer von Barrys Intrige vor ihrer Hinrichtung. Als Gegenleistung sollen ihm die für tot gehaltenen Galgenvögel im Kampf gegen Barry und seine Spießgesellen beistehen. Doch auch die Bande der Gehenkten ist nicht vor Missgunst und Verrat gefeit. Und so steht Django im finalen Duell dem verhassten Barry und seinen Männern schließlich doch wieder alleine gegenüber.
Mit Django und die Bande der Gehenkten und dem zwei Jahre zuvor entstandenen Django – Der Rächer steuerte Ferdinando Baldi zwei der „offiziellsten“ Werke zur Flut fragwürdiger Django-Sequels bei. Hier trägt der Held sogar ausnahmsweise selbst in der italienischen Originalversion den Namen, der den meisten anderen erst nachträglich und nur im – zumeist deutschsprachigen – Ausland verliehen wurde. Vor allem aber kommt Terence Hill, der erst kurz zuvor seinen bürgerlichen Namen Mario Girotti abgelegt hatte, in Physis, Ausdruck und Erscheinungsbild Franco Neros Ur-Django so nah wie kein anderer vor ihm oder nach ihm. Seine Präsenz alleine hätte den Film bereits tragen können, doch darf er seine Rolle darüber hinaus auch im Rahmen eines gut ausgereiften Drehbuchs entfalten. Der simple Racheplot wird um das Element der unschuldig Verurteilten erweitert, die scheinbar aus dem Grabe auferstanden die Häscher heimsuchen, welche sie vor Gericht als falsche Zeugen belastet hatten. Inszenatorisch offenbaren sich hier leider einige Schwächen, etwa bei den Angriffen der Bande der Gehenkten, welche durchaus etwas düsterer und bedrohlicher hätten ausfallen können, oder auch in der – sicherlich in erster Linie Budget-bedingten – Auswahl der Locations, die hin und wieder nicht so recht aufeinander abgestimmt wirken wollen.
Mit Enzo Barboni stand allerdings jemand hinter der Kamera, der es verstand, solch kleine Mankos so gut wie nur möglich zu kaschieren, während der hervorragende Hill vom restlichen Cast standesgemäß flankiert wird. Horst Frank mimt gewohnt kaltherzig den doppelzüngigen Politiker, Luigi Montefiori, hier unter seinem Pseudonym George Eastman, seinen brutalen Handlanger Lucas. Als weitere Zielscheiben stehen bewährte Genre-Kräfte wie José Torres, Pinuccio Ardia, Guido Lollobrigida, Franco Balducci oder Gianni Brezza parat.
Es gibt nicht allzu viele Italowestern, vor denen sich Baldis Film verstecken müsste, erst recht nicht vor dem Großteil der Pseudo-Djangos. Allerdings muss man auch konstatieren, dass sich Django und die Bande der Gehenkten schon arg an Corbuccis Film orientiert. Angefangen bei Terence Hills Kleidung und Make-up bis hin zu dem Klon von einem Finale. Wer hier nicht genau hinsieht, könnte meinen, Franco Nero höchstselbst würde auf seiner Gatling zum Totentanz aufspielen, aber für reichlich Spannung, Atmosphäre und ein reinigendes Bleigewitter ist in jedem Fall gesorgt.


>>Wo kaufst du bloß deine Anzüge? Ist ja nicht zum Ansehen!<<
                                           Horst Frank hinterfragt George Eastmans Modegeschmack

>>Ich will so nicht mehr leben, verstehst du das?<<
>>Na, dann würd ich doch mal ans Abtreten denken.<<

                                           Djangos Lebensberatung gibt es gratis zur Kugel dazu


Alternatives aus der Titelschmiede: Django, prepare a coffin, Django – Sein Hass ist tödlich, Get the coffin ready, Die Bande der Gehenkten, Django sees red, Viva Django, Joe, der Galgenvogel (Spaß-Synchro)

Sonntag, 1. Februar 2015

Fünf blutige Stricke

Joko, invoca Dio… e muori (BRD/Italien, 1968)

An Seilen gefesselt wird Ricky von fünf Männern auf Pferden in Stücke gerissen. Domingo, einer seiner Peiniger, hatte ihn und seine Kumpanen bei einem Tresorraub hintergangen. Mendoza kostete der Verrat das Leben und nachdem auch Ricky tot ist, schwört das vierte Bandenmitglied Rocco blutige Rache an den fünf grausamen Killern und hat für jeden von ihnen ein Stück von dem blutigen Strick bei sich, mit dem sie Ricky zerrissen hatten. Domingo ist der erste, dem er einen Besuch abstattet. Prompt verrät dieser mit Yuma und Laredo zwei seiner Komplizen, bevor er selbst ins Jenseits befördert wird. Nachdem Rocco auch diese beiden unter die Erde gebracht hat, spürt er mit Kid den vierten Verräter auf, der ihn zunächst überwältigen und foltern kann, ihm aber schließlich ebenso unterlegen ist wie die anderen. Nun hat Rocco nur noch einen Strick, doch erst muss er herausfinden, wer die ganze Zeit die Fäden aus dem Hintergrund gezogen hat.
Mit Fünf blutige Stricke lieferte Vielfilmer Antonio Margheriti einen reinrassigen Rache-Western ab, der es vor allem aufgrund seiner Brutalität zu einem gewissen Kultstatus gebracht hat. Dabei können die einzelnen Gewaltdarstellungen keinen vorherrschenden Status innerhalb des Genres für sich beanspruchen. Dennoch gibt bereits die berüchtigte Eröffnungssequenz, in der Alberto Dell’Acqua gefünfteilt wird, den kompromisslosen Ton des Films vor. Rocco erwähnt zwar zu Beginn, dass er es auch auf seinen Teil der Beute abgesehen hat, doch wird mit der Zeit deutlich, dass ihm in Wahrheit nur seine Rache am Herzen liegt. Und die nimmt er mit aller Gewalt, ohne jede Gnade und in Bildern, die Ihresgleichen suchen. Die Einstellungen von Kameramann Riccardo Pallottini kommen stellenweise Kunstwerken gleich und schaffen eine räumliche Tiefe, die selbst für das optisch pompöse Western-Genre bemerkenswert ist. Ähnlich wie bei Margheritis Satan der Rache zwei Jahre später bringt er mit seinen Bildkompositionen einen Hauch von Horror in den Western, erst recht während des epischen Schlussduells, das in einer alten Schwefelmine stattfindet. Die in grelles Gelb getauchten Szenen erinnern an die klassischen Grusler eines Mario Bava und unterstreichen den surrealen Charakter des letzten Akts. Hier erweist sich der tot geglaubte Mendoza als Strippenzieher aus dem Verborgenen und bereichert den Spaghetti-Western um eine denkwürdige Figur. Claudio Camaso, der jüngere Bruder von Gian Maria Volonté, mimt hier einen Schurken, mehr gotische Horrorgestalt als böser Cowboy, der mit seinen weißen Klamotten, den Handschuhen und dem Spazierstock ein wenig an Alex, den Anti-Held aus Stanley Kubricks drei Jahre später entstandenen A Clockwork Orange erinnert. Camaso spielt sich hier mit einer großartigen Performance in den Vordergrund, wobei die restliche Besetzung auch nicht gerade dazu angetan ist, ihm die Show zu stehlen. Der ehemalige Peplum-Star-Richard Harrisson spielt den Rocco – im Original übrigens Joko – genau so, wie man es von ihm und seiner Eiskalter-Rächer-Rolle erwartet: nahezu ohne jede Regung, während die Bleifänger um Werner Pochath als Kid und Luciano Pigozzi als Domingo solide, aber kurze Auftritte hinlegen. Fünf blutige Stricke reicht zwar bei Weitem nicht an die Meilensteine des Genres heran, gerät aber mit seiner hervorragenden Optik und der gnadenlos primitiven Rachegeschichte zu einem kleinen, dreckigen Highlight des Italowesterns.

>>Wo ist er?<<
>>Wenn er sich beeilt hat, ist er jetzt schon in der Hölle.<<
                                                               Reisende soll man nicht aufhalten

>>Jedenfalls haben wir hier ein fabelhaftes Beerdigungsunternehmen. Das ist das einzige Geschäft, das hier mit Gewinn arbeitet.<<
                                                       So ist das in der freien Marktwirtschaft

Alternatives aus der Titelschmiede: Vengeance – Mit Rocco kam der Tod, Djangos blutige Stricke, Avec Django la mort est là
Locations: Sierra Alhamilla

Ich bin ein entflohener Kettensträfling

Vivo per la tua morte (Italien, 1968)

Als der Pferde-Trail der Sturges-Familie überfallen wird, beschließen Mike Sturges und sein jüngerer Bruder Roy, den Banditen zu folgen. Mit Marlin Mayner greift jedoch ein alter Bekannter die Brüder in der Nähe einer Eisenbahnlinie auf und legt ihnen nahe, sich schnell aus dem Staub zu machen. In letzter Zeit wurden die Züge der Southern Pacific mehrmals ausgeraubt und alle Fremden laufen in der Gegend Gefahr, als Verdächtige erschossen zu werden. Die Jungs hören nicht auf Mayner, doch da dieser in Wahrheit hinter den Überfällen und mit dem lokalen Sheriff unter einer Decke steckt, finden sie sich alsbald im berüchtigten Yuma-Knast wieder. Unter den unmenschlichen Schikanen des Oberwärters Bill Savage bricht Roy schon sehr bald tot zusammen. Mike hingegen gelingt es während eines blutigen Aufstandes, aus dem Gefängnis zu fliehen. Kaum hat er Yuma hinter sich gelassen, da beginnt er auch schon, die Verantwortlichen für seine und Roys Qualen zur Rechenschaft zu ziehen.
Genre-Eintagsfliege Camillo Bazzoni lieferte mit Ich bin ein entflohener Kettensträfling einen soliden Italowestern ab, der aber weder ihm, noch seinem Hauptdarsteller Steve Reeves mehr als eine Randnotiz in den Spaghetti-Annalen einbringen sollte. Der ehemalige Bodybuilder Reeves, der zuvor hauptsächlich in den italienischen Pepla und hernach überhaupt nicht mehr im Kino zu sehen war, kann als Held nicht überzeugen. Zwar darf er beim Steineklopfen in Yuma seine Muckis präsentieren, doch wer selbst in der Rolle des eiskalten Rächers durch mangelnde Mimik auffällt, dem ist wahrlich keine glanzvolle Western-Karriere beschieden. Die Kohlen aus dem Feuer holen für Bazzoni stattdessen seine Nebendarsteller, allen voran Nello Pazzafini der als Knastaufseher mit dem klangvollen Namen Bill Savage niederträchtig ist wie eh und je.
Die größte Stärke des Film ist jedoch zweifelsfrei Enzo Barboni, der einmal mehr Bilder abliefert, wie sie nur ganz wenige Kameramänner im Genre je zustande gebracht haben. Barboni, der nur zwei Jahre nach Ich bin ein entflohener Kettensträfling ins Regiefach wechseln sollte, setzt die spanischen Landschaften und Dörfer gewohnt eindrucksvoll in Szene, sorgt aber auch in den Yuma-Szenen oder bei einer Kamerafahrt über die heruntergekommene Sturges-Ranch für die richtige, bedrohliche Stimmung. In den ersten Szenen musste man hingegen noch um den Look des Films bangen, denn die Outfits der Rancher und die ganze Bildsprache erinnerten doch bedenklich an US-Western. Mit der Einlieferung nach Yuma ist es damit dann aber vorbei. Ich bin ein entflohener Kettensträfling strotzt in der Folge nur so vor Staub, Dreck und Blut und gehört schließlich, unterstützt durch Carlo Savinas unaufdringlichem Soundtrack, zu den besseren unter den weniger populären Spaghetti-Western – auch wenn im ganzen Film keine einzige Kette zu sehen ist.


>>Wenn ich dich lebend abliefere, bekomme ich das Doppelte für dich. Und da ich schon immer knapp bei Kasse war, kannst du nicht sterben. Du wirst zum Tode begnadigt.<<
                                                                             Inhaltlich etwas holprig, klingt aber gnadenlos cool

Alternatives aus der Titelschmiede: Django – Ich bin ein entflohener Kettensträfling, I live for your death, Zum Tode begnadigt, Killer auf der Flucht, A long ride from hell, Kettensträfling
Locations: Los Albericoques

Samstag, 24. Januar 2015

Heute ich... morgen Du!

Oggi a me… domani a te! (Italien, 1968)

Fünf Jahre hat Bill Kiowa unschuldig eingesessen. Nun ist der Tag seiner Entlassung gekommen und damit auch der Tag der Rache. Mit O’Bannion, Jeff Milton, Bunny Fox und Francis Moran heuert er die vier berüchtigtsten Revolverhelden der Gegend an, um Elfego, den Verantwortlichen für sein fünfjähriges Martyrium, zur Rechenschaft zu ziehen. Als sie den Banditen und seine Comancheros schließlich aufspüren, geraten Kiowa und O’Bannion in deren Gewalt. Die beiden werden auf das Brutalste gefoltert, aber gerade noch am Leben gelassen, denn Elfego hat perfide Pläne, die Kiowa ein weiteres Mal für seine Schandtaten ins Gefängnis wandern lassen sollen.
Heute ich… morgen Du! war der erste Film und einzige Ausflug ins Genre für Regisseur Tonino Cervi. Leider, ist man geneigt zu sagen, denn der Mailänder liefert hier einen durch und durch spannenden und stellenweise recht innovativen Italowestern ab. Für Dario Argento, der im selben Jahr am Script zu Spiel mir das Lied vom Tod schrieb, war es ebenfalls der erste Western. Sein Drehbuch wagt den Kniff, den Schurken erst nach einer guten halben Stunde und die Hintergründe der Rachegeschichte sogar erst nach fast einer Stunde zu präsentieren. Langeweile lassen seine Geschichte und Cervis Inszenierung dabei jedoch zu keiner Zeit aufkommen. Dank der exzellenten Besetzung erweist sich die überlange Exposition, während der Bill Kiowa seine schlagkräftige Truppe zusammenstellt, als wahre Schau. Gleich als ersten rekrutiert er O’Bannion, gespielt von Bud Spencer, der hier noch weit entfernt von seinem späteren Western-Image völlig humorlos auftritt, aber immerhin erstmals seinen berühmten Dampfhammer auspackt. Danach heuert Kiowa Sheriff Jeff Milton an, der seinen Stern kurzerhand einem im Knast hockenden Galgenvogel anheftet und diesen zum Hilfssheriff vereidigt. Übernommen wird der Part des wenig vorbildlichen Gesetzeshüters von Wayde Preston, für den dies der erste einer ganzen Reihe von Italowestern war. Der dritte im Bunde heißt Bunny Fox, verkörpert von Franco Borelli. Komplettiert wird das Quartett von William Berger, dessen Falschspieler Francis Moran dem Film trotz relativ geringer Screentime einigen zusätzlichen Glanz verleiht. Kiowa selbst wird von Brett Halsey gespielt, für den es die zweite von fünf Genre-Rollen war. Der Amerikaner liefert eine erstklassige Performance als eiskalter Rächer ab und erinnert in seinen schwarzen Klamotten mehr an den originalen Django, als die allermeisten Figuren, die dieses Prädikat nachträglich von den internationalen Vertrieben verliehen bekamen. Möglicherweise bewahrte nur das fehlende Einzelgänger-Image der Hauptfigur Heute ich… morgen Du! vor einer entsprechenden Titelvergewaltigung. Ebenfalls verschont geblieben ist der Film von einer Spaß-Synchro, die schon so manchen beinharten Italowestern nachträglich enteiert hat.
Stattdessen geraten die Dialoge eher humorlos und überhaupt lässt Cervi vor allem die Waffen sprechen. Zu denen gehört neben einer abgeschnittenen Winchester, mittels derer eindrucksvoll veranschaulicht wird, wie trügerisch die Annahme ist, Saloon-Tische eigneten sich als Deckung, ausnahmsweise auch ein Schwert. Mit diesem schlitzt sich der großartige Tatsuya Nakadai als hundsgemeiner James Elfego durch seine Widersacher. Sein Mitwirken ist ein schöner Brückenschlag zu den Ursprüngen des Italowesterns, spielte er doch bereits in Akira Kurosawas Yojimbo – Der Leibwächter, der Vorlage für Sergio Leones Genre-Urknall Für eine Handvoll Dollar.
Auch wenn Heute ich… morgen Du! nicht an dessen Klasse heranreicht, reiht er sich mit respektvollem, keineswegs großem Abstand hinter diesem und anderen Meilensteinen des Genres ein. Dazu trägt neben Angelo Francesco Lavagninos spannungsgeladener Musik vor allem auch die ausgezeichnete Kameraarbeit bei. Sergio D’Offizi setzt die nicht immer ganz dankbaren Kulissen derart gekonnt in Szene, dass selbst ein unspektakulärer Mischwald einen eindrucksvollen Hintergrund für die Guerilla-artigen Tötungsmethoden von Kiowas Killertrupp abliefert. Als ähnlich wirkungsvoll erweist sich die völlig genreuntypische Schwarz-Weiß-Rückblende, die stilistisch irgendwo zwischen Stummfilm und Disney-Cartoon angesiedelt ist und die Hintergründe von Bills Rachedurst offenlegt. Nicht zuletzt schafft der exzellente Cast denkwürdige Momente – wie etwa Tatsuya Nakadais an Nosferatu erinnernden Todeskampf – und lässt den Film aus der Masse an Italowestern herausstechen. 




>>Du kannst faulenzen in deiner Zelle und ich muss mich in den Bergen abschinden.<<
                                                                                    Elfego – Alles eine Frage der Perspektive


Alternatives aus der Titelschmiede: Stoßgebet für einen Hammer, Der Dicke ist nicht zu bremsen, Today it’s me… tomorrow it’s you!, Today we kill, tomorrow we die!, Fünf Höllenhunde spucken den Tod  

Es geht um deinen Kopf, Amigo!

Los cuatro salvajes (Italien/Spanien, 1967)

Tim und Ringo, die wie zwei abgebrannte Landstreicher durch die Wüste ziehen, retten dem mexikanischen Strolch Fidel zweimal kurz hintereinander das Leben und erfahren mehr zufällig von einer tätowierten Schatzkarte auf seinem Rücken. Allerdings gehört zu dieser Karte noch eine zweite Hälfte, die sich auf dem Rücken von Sheriff Sam Dellinger befindet. Und als wären vier Mann nicht bereits genug zum Teilen, drängt sich auch noch der gerissene Spieler Trickie auf und meldet ebenfalls Ansprüche auf einen Teil der Beute an. Da sich das Quintett jedoch nicht das Schwarze unterm Fingernagel gönnt, lassen vor allem Trickie und Dellinger keine Gelegenheit aus, ihre Kontrahenten mit miesen Tricks auszustechen.
Auch wenn Es geht um deinen Kopf, Amigo! zu den eher weniger populären Spaghetti-Western gehört, zählt die Besetzung des Films zu den eindrucksvollsten, die das Genre zu bieten hat. Frank Wolff gibt einen wunderbar widerlich schmierigen Trickie, Eduardo Fajardo ist als zerlumpter, aber liebenswürdiger Sidekick Tim, der international übrigens den Namen Davy trägt, kaum wiederzuerkennen, während Anthony Steffen einfach das macht, was er immer macht: bleiern dreinschauen und den coolen Cowboy raushängen lassen.
In der zweiten Hälfte gehen dann aber gleich mehrmals die Gefühle mit ihm durch, als er nicht nur in trauernder Verzweiflung versinkt, sondern sich obendrein auch noch verliebt. Leider flacht mit dieser Romanze – oder anders ausgedrückt mit dem Erscheinen der alles andere als unschön anzusehenden Alejandra Nilo – der Spannungsbogen deutlich ab. Die von ihr verkörperte Mexikanerin Manuela wird relativ unmotiviert, beinahe lächerlich, in das Geschehen eingeführt, als sie von einem wütenden Mob verfolgt wird und sprengt schließlich die zuvor so intensive Gruppendynamik zwischen den drei Hauptfiguren. So dümpelt die Geschichte irgendwann nur noch ihrem Ende entgegen, hat allerdings immerhin noch ein recht passables Finale in petto.
Vor allem die Darsteller retten Es geht um deinen Kopf, Amigo! vor dem Abrutschen in die Kategorie C-Western. Anthony Steffen, dessen Rolle mit dem originären Ringo nur den Namen gemeinsam hat, ist wie immer eine Bank, Frank Wolff stellt ihn jedoch regelrecht in den Schatten. Sein Trickie ist aalglatt, schmierig und wird von ihm mit spürbarer Freude verkörpert. Heimlicher Held des Films ist jedoch zweifelsohne Eduardo Fajardo. Statt wie für ihn üblich einen aristokratischen Großgrundbesitzer gibt er hier einen unrasierten, in Lumpen gehüllten Vagabunden mit einem gewinnenden Lächeln unter dem Staub der Wüste.
Diese wurde einmal mehr in der Gegend um Tabernas inszeniert und auch Los Albericoques, wo bereits die ersten beiden Dollar-Filme entstanden waren, bietet eine stimmungsvolle Kulisse, was den Film in optischer Hinsicht zu den besseren Italowestern avancieren lässt. Auch eine gewisse Rotzigkeit tut dem Film gut, wenn etwa einer der Helden im Suff zum Widerling wird oder Frauen auch mal als Wurfgeschoss bei einer Saloon-Prügelei Verwendung finden. Ein insgesamt äußerst solider Western mit vielen Stärken und einigen Schwächen, von denen die mit Abstand größte die unterirdische deutsche Amateur-Synchronisation ist.


>>Zwei Bier.<<  >>Und zwar große.<<  >>Zwei Bier, sagte ich.<<  >>Sehr große.<<
                                              Es braucht schon mehr als zwei Bier, um sich die deutsche Synchro schön zu saufen.

Alternatives aus der Titelschmiede: Den Colt im Genick, Ringo, il volto della vendetta, Ringo - Face of Revenge
Locations: Los Albericoques, Tabernas